Text von: Daniel Seehuber (LSBH)
Hauptamt im Verein: Mehr Chance als Bürde!
Hauptamtliche Strukturen haben bislang nur wenige Vereine - Warum sie für ihre Entwicklung wichtig sind
Sportvereine und Ehrenamt – das ist eine Symbiose, die sich bewährt hat. Wie würde der organisierte Sport aussehen, wenn es keine engagierten, manchmal vielleicht etwas chaotischen Vorstandsmitglieder gäbe, für die ihr Verein ein Herzensprojekt ist? Wenn es nur noch bestens organisierte Geschäftsführerinnen gäbe, die aber keine Geschichte mit dem Verein verbinden? Klar ist: Vereine leben von ihren Ehrenamtlichen, was sich mit Zahlen untermauern lässt. Laut Sportentwicklungsbericht werden neun von zehn Sportvereine in Deutschland ausschließlich ehrenamtlich geführt. Auch in Hessen spielt das Thema Hauptamt bislang eine untergeordnete Rolle, denn nicht einmal jeder zehnte Verein setzt bereits auf bezahlte Mitarbeiterinnen im Bereich Führung und Verwaltung. Doch immer mehr Vereine beschäftigen sich damit, ob hauptamtliche Strukturen Sinn machen könnten. Weil das dabei helfen könnte, Mitglieder noch mehr zu binden. Oder den Vorstand zu entlasten, damit er den Schwerpunkt auf die strategische Entwicklung des Vereins legen kann – und weniger verwalten muss.
Wenn es um das Thema Hauptamt im Sport geht, spricht man vor allem über die großen Vereine, die bereits professionell aufgestellt sind. Die FTG Frankfurt beispielsweise. Oder der KSV Baunatal. Oder die Homburger TG. Diese Vereine sind mit mehr als 5.000 Mitgliedern so groß, dass sie ohne hauptamtliche Mitarbeiter*innen nicht geführt werden könnten – allein schon wegen des bürokratischen Aufwands. Doch die meisten der rund 7.400 Vereine in Hessen bewegen sich in anderen Sphären. Nur 13 haben mehr als 5.000 Mitglieder – und nur 335 zählen zur Kategorie der Großvereine mit mehr als 1.000 Mitgliedern. „Ab dieser Größe ist ein Verein in der Regel zu groß, um rein ehrenamtlich geführt zu werden“, betont Steffen Kipper, der beim Landessportbund Hessen (lsb h) den Geschäftsbereich Vereinsmanagement leitet. Und fügt hinzu: „Ich rate aber auch den mittelgroßen Vereinen mit 500 bis 1.000 Mitgliedern dazu, sich mit dem Thema Hauptamt auseinanderzusetzen, um Ehrenamtliche perspektivisch entlasten zu können.“
"Anforderungen deutlich gestiegen"
Das tut derzeit beispielsweise der TV Rothenbergen, ein 670 Mitlieder großer Verein aus dem Sportkreis Main-Kinzig. Die langjährige Erste Vorsitzende Ute Kern will in wenigen Monaten zurücktreten, was ein Umdenken erfordert. „Noch bekommt der Vorstand alles alleine hin. Aber wenn ich weg bin, könnte der Leidensdruck schnell zu groß werden“, befürchtet Kern. Seit mehr als 40 Jahren engagiert sie sich ehrenamtlich im Verein, profitiert von einem großen Netzwerk – und erledigt viele Dinge in Personalunion. Vor einigen Jahren hatte sie kurzzeitig ihr Amt niedergelegt, was für den Verein eine große Belastungsprobe zur Folge hatte. „Im Vorstand sind wir uns deshalb einig, dass der Verein perspektivisch hauptamtliche Strukturen einführen sollte. Alle haben erkannt, dass wir uns breiter aufstellen müssen, weil die Anforderungen deutlich gestiegen sind“, berichtet Kern und greift zwei Beispiele auf: „Früher sind die Leute in den Verein eingetreten und lange Mitglied geblieben, heute treten sie vermehrt ein und aus. Deshalb ist der Verwaltungsaufwand größer als vor 20 Jahren. Außerdem erwarten Mitglieder immer öfter, dass auf ihre Wünsche sehr schnell reagiert wird.“
Die Geschäftsstelle des TV Rothenbergen wird derzeit von der Kassiererin betreut, was die Erste Vorsitzende kritisch sieht: „Das sollte niemand aus dem Vorstand machen. Hier sehe ich perspektivisch eine Teilzeitkraft – möglichst ein Mitglied, das sich mit dem Verein identifiziert und nicht nur des Geldes wegen zu uns kommt.“ Neu ist diese Idee nicht, vor fast 20 Jahren brachte Kern sie schon einmal ein. Zwischenzeitlich beschäftigte der Verein auf Minijob-Basis eine Übungsleiterin, die dem Vorstand einige Verwaltungsaufgaben abnahm. Doch man entwickelte keine Vision, wie hauptamtliche Strukturen den Verein langfristig voranbringen könnten. „Wir haben das nicht konsequent weitergedacht, weil uns der bürokratische Aufwand zu groß erschien“, erinnert sich Kern. „Wenn die Umsetzung leichter wäre, hätten wir vielleicht schon hauptamtliche Strukturen eingeführt.“
Andere Vereine wie der TSV Immenhausen (Sportkreis Region Kassel) haben diesen Entwicklungsschritt bereits hinter sich. Im Jahr 2015 entdeckte der 1.700 Mitglieder große Verein das Hauptamt für sich, beschäftigt heute eine Vollzeit- und eine Teilzeitkraft sowie eine Minijobberin – und profitiert von den professionelleren Strukturen nachhaltig. Sukzessive wurde das Sport- und Bewegungsangebot erweitert, was einen deutlichen Mitgliederzuwachs zur Folge hatte. Auch beim TV Wetzlar (Sportkreis Lahn-Dill, ca. 2.500 Mitglieder) kümmern sich drei Hauptamtliche um organisatorische und verwaltende Tätigkeiten. Bereits Ende der 1980er-Jahre beschäftigte der Verein einen hauptamtlichen Geschäftsführer. Zu Beginn war er auch in den sportlichen Bereich eingebunden, ehe er sich nach einigen Jahren auf die Vereinsführung konzentrieren konnte. Die Geschäftsstelle ist seitdem zu festen Zeiten erreichbar, was Langes Nachfolgerin Alisa Schmidt hinsichtlich der Entwicklung und Positionierung des Vereins als zentral erachtet. „Wenn sich jemand für unsere Angebote interessiert, können wir ihn direkt umfassend beraten“, sagt Schmidt, die seit rund fünf Jahren hauptamtlich beim TV Wetzlar arbeitet und im Jahr 2021 den Posten der Geschäftsführerin übernahm. „Außerdem können Anliegen von unseren Mitgliedern sowie Übungsleiterinnen und Übungsleitern schnell geklärt werden – und bei kurzfristigen Projekten findet eine zeitnahe Umsetzung statt.“
Ehrenamt und Hauptamt harmonieren gut
Auch Kristoffer Koch, seit rund sieben Jahren Leiter der Geschäftsstelle des TSV Immenhausen, unterstreicht den Stellenwert einer zentralen Anlaufstelle. „Wo früher viele Anfragen direkt beim Vorsitzenden oder anderen Vorstandsmitgliedern landeten, wird jetzt alles über die Geschäftsstelle koordiniert“, erläutert der gelernte Fitnessfachwirt, der sich derzeit in den letzten Zügen seiner Vereinsmanagerausbildung befindet. Die neuen Strukturen hätten nicht nur einen besseren Kommunikationsfluss ermöglicht, sondern auch die Arbeitsbelastung des Vorstands „erheblich reduziert“, sagt Koch, der das vertrauensvolle Zusammenwirken von Ehrenamt und Hauptamt hervorhebt. „Ein wesentlicher Faktor hierfür ist, dass alle Hauptamtlichen eine persönliche Verbindung zum Verein haben.“ Er selbst ist im Verein aufgewachsen, sieht seinen Job als Herzensprojekt. „Diese tiefe Verbundenheit schafft eine besondere Wertschätzung vonseiten der Ehrenamtlichen, die unsere Arbeit als wertvolle Unterstützung ihres eigenen Engagements verstehen.“ Kurzum: Ehrenamtliche und Hauptamtliche agieren nicht nebeneinander, sondern miteinander. Das nimmt auch Alisa Schmidt beim TV Wetzlar wahr. „Die Zusammenarbeit ist sehr konstruktiv und harmonisch.“
Seit ihrem Start als Geschäftsführerin haben sich beim TV Wetzlar einige erfreuliche Entwicklungen vollzogen. „Wir sind moderner und digitaler geworden“, freut sich Schmidt. Der Verein entwickelte ein neues Logo, gewann Kooperationspartner hinzu, differenzierte das Angebot in seinen neun Abteilungen weiter aus und bietet derzeit pro Woche durchschnittlich 75 Kurse an. Zudem professionalisierte der TV Wetzlar seine Kommunikation in den sozialen Medien – und erreicht heute leichter als noch vor wenigen Jahren jüngere Zielgruppen. Auch in Corona-Zeiten profitierte der Verein von seinen professionellen Strukturen in der Geschäftsstelle und im Sportbetrieb, in dem mehrere Übungsleiter*innen hauptberuflich im Einsatz sind. „Wir konnten dadurch von heute auf morgen einen Großteil unserer Kurse auf Online-Kurse umstellen“, erzählt Schmidt. Um die Hauptamtlichen in der Geschäftsstelle zu finanzieren, verwendet der TV Wetzlar etwa 45 Prozent seiner Mitgliedsbeiträge, die zuletzt vor zwei Jahren moderat um zwei Euro erhöht wurden. Mehr Austritte habe es deshalb nicht gegeben, merkt Schmidt an. Die Geschäftsführerin betont, dass der Verein an seinen hauptamtlichen Strukturen festhalten – und womöglich ausbauen werde. „Für Vereine gibt es einige interessante Bereiche – etwa die Betreuung in Ganztagsschulen.“ Sie glaubt, dass das Hauptamt im organisierten Sport weiter an Bedeutung gewinnen wird – und empfiehlt interessierten Vereinen, neben der Finanzierungsfrage eine klare Vision im Blick zu haben, „wie und mit welchen Angeboten sich der Verein zukünftig aufstellen möchte“.
Wie wichtig es ist, auf diesem Weg die Mitglieder aktiv einzubeziehen, hat der TSV Immenhausen erlebt. „Das fördert nicht nur das Vertrauen, sondern auch die Identifikation mit den Veränderungen“, sagt Kassenwart Christian Exner. Der Verein informierte seine Mitglieder nicht nur transparent über alle Entwicklungen, sondern ließ sie auch über die Einführung hauptamtlicher Strukturen abstimmen. „Ich würde jedem Verein dazu raten – auch wenn die Satzung diesen Schritt nicht vorschreibt“, betont Exner. Seit über neun Jahren beschäftigt der Verein mittlerweile hauptamtliche Mitarbeiter*innen in seiner Geschäftsstelle. Von Anfang an sollten sie nicht nur Verwaltungsaufgaben übernehmen, sondern auch abteilungsübergreifende Sport- und Bewegungsangebote entwickeln – und das taten sie erfolgreich.
Mitgliedsbeiträge konstant geblieben
Sein Kursangebot hat der TSV Immenhausen seit 2015 mehr als verdoppelt – und bietet besonders im Fitness-, Gesundheits- und Rehasport heute viele spezialisierte Angebote an, die stark nachgefragt werden. Zudem hat der Verein drei neue Abteilungen aufgebaut. Die Vielfalt und Qualität ist gestiegen – die Mitgliedsbeiträge sind aber konstant geblieben. „Von Anfang an war es unser Ziel, die hauptamtlichen Stellen durch eine gezielte Erweiterung unseres Angebots zu finanzieren – das ist uns gelungen“, freut sich Koch. Der Verein wurde für seinen Mut belohnt – auch deshalb, weil Verantwortungsbereiche klar geregelt sind. Während die Ehrenamtlichen sportliche und gemeinschaftliche Aktivitäten unterstützen, kümmern sich die Hauptamtlichen vor allem um organisatorische und administrative Aufgaben. Das schafft Freiräume für den Vorstand, wie Exner betont. „Er kann sich so stärker auf strategische Entscheidungen und die Weiterentwicklung des Vereins konzentrieren, ohne sich im Tagesgeschäft zu verlieren.“
Der Text wurde mithilfe von KI aus dem Originalabzug herausgeschrieben und kann daher Fehler in der Übertragung enthalten. Das Originalpapier aus "Sport in Hessen" ist als Download verlinkt.